Walcker-Orgel in St. Johannis

Planung und Bau

Die Orgel der St.-Johannis-Kirche wurde zur Kircheneinweihung im Jahr 1896 von der seinerzeit weltweit berühmten Orgelbaufirma E. F. Walcker & Cie. in Ludwigsburg als deren Opus 762 erbaut. Konrad Hornschuch, einer der Direktoren der Forchheimer Weberei und Mitglied der Kirchenverwaltung, finanzierte den Orgelbau zu einem Großteil durch eine Spende. An diese knüpfte Hornschuch jedoch den Wunsch, man möge entgegen sonstigem Brauch die Firma Walcker aus dem württembergischen Ludwigsburg mit den Arbeiten betrauen. Hintergrund der Bitte war, dass Hornschuchs Ehefrau Mathilde mit der Familie Walcker verwandt war.

Der endgültige Kostenvoranschlag der Firma Walcker sah ein Instrument von 24 klingenden Stimmen mit zwei Manualen und Pedal auf pneumatischen Kegelladen vor. Das zweite Manual war als Schwellwerk geplant.

Das Orgelgehäuse wurde nach einem Entwurf des Kirchenarchitekten Gustav Haeberle angefertigt, jedoch von Walcker bei der Ausführung an wenigen Stellen modifiziert. Es war eines der aufwendigst gearbeiteten Ausstattungsstücke der Kirche. Das Untergehäuse war mit Blendmaßwerk und Reliefschnitzereien versehen. Über diesem erhob sich eine Architektur von Säulen mit Blätterkapitellen als Rahmen für die insgesamt sieben Pfeifenfelder. Die Säulen liefen oben in Fialen mit Krabben und Kreuzblumen aus. Auf den Säulen saßen wiederum mit Krabben und Kreuzblumen geschmückte Giebel, die zudem mit Maßwerk und Durchbruchschnitzereien geziert waren.

 

Die beiden jeweils äußeren Pfeifenfelder rechts und links waren auf einem vorkragenden dreieckigen Grundriss aufgebaut, dessen Eckpunkte im Untergehäuse von konkav ausschwingenden Profilbögen aufgenommen wurden. Diese ruhten ihrerseits auf einer Halbsäule mit Blätterkapitell.

Zwei Monate vor dem Einbau der Orgel in Forchheim war diese bereits auf einer "Electrizitäts- und Kunstgewerbeausstellung" in Stuttgart zu besichtigen. Für die Ausstellung erweiterte Walcker die Orgel zusätzlich um zwei Hochdruckstimmen (Stentorflöte 8' in I und Stentorgamba 8' in II sowie zwei entsprechende 16'-Extensionen im Pedal), zwei Oktavkoppeln (Super I und Sub II) und einen elektrischen Gebläseantrieb. Diese Zutaten entfielen jedoch nach der Ausstellung wieder. Dagegen blieben zwei weitere Eingriffe in die vertraglich festgelegte Disposition, die die Orgelbaufirma sich erlaubte, nach Genehmigung durch die Kirchenverwaltung auch nach der Ausstellung bestehen: So trat anstelle einer vorgesehenen Octav 2' im Hauptwerk das Register Trompete 8' und im Schwellwerk anstelle des Registers Hohlflöte 8' eine innen labierte und im Diskant überblasende Concertflöte 8'.

Eine Woche nach der Einweihung der Kirche wurde die Orgel am 15. Dezember 1896 von Universitätsmusikdirektor Elias Oechsler (1850-1917) aus Erlangen abgenommen und als ein sowohl in klanglicher als auch in technischer Hinsicht vollkommenes Orgelwerk bezeichnet.

Disposition 1896

I. Manual - Hauptwerk (C-f''')

  • 1. Bourdon 16'
  • 2. Principal 8'
  • 3. Tibia 8'
  • 4. Viola di Gamba 8'
  • 5. Gedeckt 8'
  • 6. Dolce 8'
  • 7. Trompete 8'
  • 8. Octav 4'
  • 9. Rohrflöte 4'
  • 10. Mixtur 4fach 2 2/3'

 

II. Manual - Schwellwerk (C-f''')

  • 11. Geigenprincipal 8'
  • 12. Liebl. Gedeckt 8'
  • 13. Concertflöte 8'
  • 14. Salicional 8'
  • 15. Aeoline 8'
  • 16. Voix céleste 8'
  • 17. Clarinette 8'
  • 18. Fugara 4'
  • 19. Traversflöte 4'

 

Pedal (C-d')

  • 20. Subbaß 16'
  • 21. Violon 16'
  • 22. Posaune 16'
  • 23. Octavbaß 8'
  • 24. Violoncello 8'

 

Nebenzüge

  • Normalkoppeln
  • Tritte p, mf, f, tutti
  • Schweller

Erhaltende Maßnahmen

Da beim Bau der Orgel vom Architekten aus verschiedenen Gründen ein einteiliges Gehäuse mit hohem Mittelgiebel präferiert worden war, konnte die ursprüngliche Planung, derzufolge das hinter der Orgel im Turmraum liegende Fenster vom Kirchenraum aus sichtbar sein sollte, nicht verwirklicht werden. Desweiteren wies das Instrument aufgrund seiner Größe eine beträchtliche Gehäusetiefe auf und so blieb für Chor und Instrumentalisten auf der Empore nur wenig Platz. In den Jahren 1904 bis 1907 wurde darum verschiedentlich erwogen, hier Abhilfe durch entsprechende Umbaumaßnahmen zu schaffen, die jedoch letztlich unterblieben. Einzig der ebenfalls länger in Planung befindliche elektrische Antrieb des Orgelgebläses konnte im Jahr 1907 durch die einheimische Firma Fuchs nach eigenem System eingerichtet werden.

Wie vielerorts mussten während des ersten Weltkrieges sämtliche Prospektpfeifen an die Heeresverwaltung abgegeben werden. Den Ausbau im Jahr 1917, wie auch den Ersatz durch neue Prospektpfeifen aus lackiertem Zink zwei Jahre später führte die Nürnberger Orgelbaufirma Johannes Strebel aus, welcher die Wartung der Orgel bereits seit 1901 übertragen war.

Zu Beginn des Jahres 1921 kam vonseiten der Firma Strebel der Vorschlag, für das zweite Manual eine Sub- und Superoktavkoppel einzubauen, der jedoch aus finanziellen Gründen zunächst zurückgestellt werden musste.

 

Erst im Jahr 1932 konnte dieses Vorhaben verwirklicht werden. Beraten durch den Orgelsachverständigen Gustav Schoedel (1897-1965) aus München, dessen Vater Friedrich Schoedel seit 1896 Organist an der St.-Johannis-Kirche war, nahm man einige moderate Änderungen an der Orgel vor, "die das auch heute noch prächtige Werk vor einem Veralten schützen" sollten, wie Friedrich Schoedel sich ausdrückte. Die Maßnahmen konzentrierten sich hauptsächlich auf die Modernisierung des Spieltisches. Es wurden alle Collectivtritte bis auf "Tutti" beseitigt und dafür ein Registercrescendo als Walze nebst Absteller, sowie eine freie Kombination eingebaut. Dazu traten die erwähnten Oktavkoppeln im zweiten Manual. Im klanglichen Bereich wurde nichts verändert, lediglich eine Pedaltransmission von Bourdon 16' eingerichtet. Diese Arbeiten führte nun die Orgelbaufirma Steinmeyer in Oettingen durch, mit der Strebel sich im Jahr 1921 assoziiert hatte.

Im Jahr 1939 wurde der elektromechanische Gebläseantrieb durch einen elektrisch betriebenen Ventilator ersetzt. Hierfür installierte die Firma Steinmeyer einen gebrauchten Ventilator mit Gleichstrommotor. Letzterer musste im Jahr 1946, bedingt durch die Umstellung von Gleich- auf Wechselstrom, gegen einen neuen Motor ausgetauscht werden, der auf Vermittlung von Spinnereidirektor Leonhard Hornschuch vom Kösseinewerk Pfaffenreuth bezogen wurde.

Umbau

Zu Beginn der fünfziger Jahre kam die Frage nach einer Erneuerung der Orgel auf. In den Jahren 1950 - 1953 wurden Umbaupläne diskutiert, die den Austausch einzelner Stimmen, aber keine grundlegenderen Änderungen vorsahen. Diese Pläne blieben jedoch unausgeführt. Erst im Jahr 1959 gab der Kirchenvorstand, veranlasst durch den renovierungsbedürftigen Zustand des Instrumentes und wohl auch wegen der bevorstehenden Kirchenrenovierung, Gutachten über die Orgel in Auftrag. Wieder war es Gustav Schoedel, der die Gemeinde nun in dieser Angelegenheit beraten sollte. Nach einer Untersuchung der Orgel kam er zu dem Schluss, dass eine grundlegende Erneuerung unumgänglich war. Dabei zog er zwar einen Umbau der Orgel in Erwägung, riet aber dringend zu einem Orgelneubau, da seiner Erfahrung nach ein Umbau nie das gewünschte klangliche und technische Ergebnis wie ein Neubau liefern würde. Doch weil man die als materialmäßig gut eingeschätzte Substanz der bestehenden Orgel nicht einfach preisgeben wollte, und nicht zuletzt aus finanziellen Gründen entschied sich der Kirchenvorstand schließlich doch für einen erweiternden Umbau der Orgel nach einer Disposition Schoedels.

Die Umbauarbeiten führte in den Jahren 1961/62 die Orgelbaufirma Otto Hoffmann aus Ostheim v. d. Rhön aus. Dabei konnte zunächst der alte Wunsch nach einer weniger platzraubenden Orgelanlage durch Veränderung des inneren Aufbaus der Orgel erfüllt werden. Das prächtige Gehäuse entfiel dabei komplett.

 

An seine Stelle trat ein sachlicher Prospekt mit drei Pfeifenfeldern in Kastengehäusen nach einem Entwurf des Architekten Albert Köhler vom landeskirchlichen Baureferat in München. Ein anfangs vorgesehenes Rückpositiv wurde von Köhler abgelehnt, weswegen dieses neue Teilwerk als Positiv in das Hauptgehäuse integriert werden musste. Die Elektrifizierung der Traktur zog die Installation eines neuen fahrbaren Spieltisches nach sich. Die Registeranzahl der Orgel wurde auf 35 erweitert, wofür über das erwähnte neue Positiv hinaus noch weitere Register in Schwellwerk und Pedal auf Zusatzladen eingebaut wurden. Eine neue Windanlage, bestehend aus Schleudergebläse und vier Einfaltenbälgen, traten an die Stelle der bisherigen Windversorgung. Der Klang der Orgel wurde durch die Einfügung neuer Register, Umarbeitung und Ersetzung bestehender Register, sowie Herabsetzung des Winddrucks bei gleichzeitiger Erhöhung der Stimmtonhöhe von 435 Hz auf 440 Hz für a' völlig verändert.

Das Ergebnis des Umbaus wurde schon von Schoedel als ambivalent bezeichnet: Einerseits seien die neuen Stimmen durchweg als gelungen zu bezeichnen, andererseits konnte seine Befürchtung, dass die übernommenen Register sich nicht ausreichend in das neue Klangbild fügen, nicht restlos zerstreut werden.

Zu einem Exkurs über das historische Orgelpositiv, das während des Orgelumbaues als Interimsinstrument diente, gelangen Sie hier.

Disposition 1962

I. Manual - Positiv

  • 1. Koppelgedackt 8'
  • 2. Blockflöte 4'
  • 3. Waldflöte 2'
  • 4. Superquinte 1 1/3'
  • 5. Scharf 4fach 1'
  • 6. Krummhorn 8'
  • Tremolo

 

II. Manual - Hauptwerk

  • 7. Pommer 16'
  • 8. Principal 8'
  • 9. Gedackt 8'
  • 10. Dulzflöte 8'
  • 11. Oktav 4'
  • 12. Rohrflöte 4'
  • 13. Superoktav 2'
  • 14. Mixtur 5fach 1 1/3'
  • 15. Trompete 8'

 

III. Manual - Schwellwerk

  • 16. Geig. Principal 8'
  • 17. Sing. Gedackt 8'
  • 18. Salicional 8'
  • 19. Prästant 4'
  • 20. Querflöte 4'
  • 21. Nasard 2 2/3'
  • 22. Ital. Prinzipal 2'
  • 23. Terzflöte 1 3/5'
  • 24. Nachthorn 1'
  • 25. Cymbel 4fach 1/2'
  • 26. Rohrschalmey 8'
  • Tremolo

 

Pedal

  • 27. Prinzipalbaß 16'
  • 28. Subbaß 16'
  • Pommer 16' (Transmission II)
  • 29. Oktavbaß 8'
  • 30. Flötbaß 8'
  • 31. Choralbaß 4'
  • 32. Rohrpfeife 2'
  • 33. Rauschb. 4f. 2 2/3'
  • 34. Posaune 16'
  • Trompete 8' (Transmission II)
  • 35. Clarine 4'

 

Nebenzüge

  • Normalkoppeln
  • 2 freie Komb.
  • 2 freie Pedalkomb.
  • Handregister ab
  • Zungen ab
  • Schweller
  • Walze
  • Crescendo ab
  • Tutti

Rückbau

Nach einer weiteren Renovierung des Kirchenraums wurde die Orgel durch die Firma Hoffmann im Jahr 1981 ausgereinigt und überholt. Da die Orgel jedoch weiterhin störanfällig blieb und sich die technischen Mängel neben den ohnehin bestehenden klanglichen Defiziten in den neunziger Jahren häuften, wurde ein Orgelneubau in Betracht gezogen und zu diesem Zweck im Jahr 1995 ein Orgelbauverein gegründet. Die damit einsetzenden Beratungen zwischen Kirchenvorstand, Kirchenmusikern und Orgelsachverständigen führten dazu, dass man sich des Wertes der historischen Substanz, die noch von der einstigen Walcker-Orgel vorhanden war, bewusst wurde. Daher ließ man den ursprünglich ins Auge gefassten Plan eines Orgelneubaus schließlich fallen und entschied sich für eine Rückführung der Orgel auf den Zustand von 1896.

Nach einer Phase der Finanzierung konnte die Restaurierung und Rekonstruktion der Orgel im Jahr 2002 durch die auf diesem Gebiet bewanderte Orgelwerkstatt Christian Scheffler aus Sieversdorf bei Frankfurt/O. durchgeführt werden.

 

Dabei wurden ergänzend zum ursprünglichen Konzept zwei Oktavkoppeln und ein Vorabzug installiert, sowie die im Jahr 1932 eingerichtete Pedaltransmission von Bourdon 16' wiederhergestellt. Dank großzügiger Bezuschussung vonseiten der Oberfrankenstiftung konnte das Gehäuse in Anlehnung an das Original neu erstellt werden. Für den neuen Spieltisch und die Windanlage standen Originalteile der aufgegebenen Walcker-Orgel aus Bad Schwalbach (Baujahr 1903) zur Verfügung. Am historischen Pfeifenwerk wurden sämtliche Veränderungen rückgängig gemacht, sowie verlorengegangene Register nach original erhaltenen Registern aus der Walcker-Orgel in Sternberg/Mecklenburg (Baujahr 1894) kopiert. Eine Ausnahme hiervon bildet lediglich das Register Clarinette 8', das im Gegensatz zum Original nach dem Vorbild der Walcker-Orgel in Ilmenau/Thüringen (Baujahr 1911) in aufschlagender Bauweise ausgeführt wurde.

Die Forchheimer St.-Johannis-Gemeinde erfreut sich seither eines einzigartigen Klangdenkmales aus der Erbauungszeit ihrer Kirche.

Disposition 2002

I. Manual - Hauptwerk (C-f''')

  • 1. Bourdon 16'
  • 2. Principal 8'
  • 3. Tibia 8'
  • 4. Viola di Gamba 8'
  • 5. Gedeckt 8'
  • 6. Dolce 8'
  • 7. Octav 4'
  • 8. Rohrflöte 4'
  • 9. Mixtur 4fach 2 2/3'
  • Rauschpf. 2f. 2 2/3' (Tz.)
  • 10. Trompete 8'

 

II. Manual - Schwellwerk (C-f''')

  • 11. Geigenprincipal 8'
  • 12. Liebl. Gedeckt 8'
  • 13. Concertflöte 8'
  • 14. Salicional 8'
  • 15. Aeoline 8'
  • 16. Voix céleste 8' (ab c°)
  • 17. Fugara 4'
  • 18. Traversflöte 4'
  • 19. Clarinette 8'

 

Pedal (C-d')

  • 20. Subbaß 16'
  • 21. Violonbaß 16'
  • Sanftbaß 16' (Tr. I)
  • 22. Octavbaß 8'
  • 23. Violoncello 8'
  • 24. Posaune 16'

 

Nebenzüge

  • Normalkoppeln
  • Suboktavkoppel II
  • Superoktavkoppel II-I
  • RW ab, RW an
  • Feste Komb. p, mf, f, tutti
  • Schweller