Frauen der Reformation

Argula von Grumbach (1492-1554) - „gelehrt, mutig, glaubensfest“

Im Mittelpunkt der Lutherdekade standen bedeutende männliche Theologen wie Luther, Melanchthon oder Calvin. Die Botschafterin der EKD für das Reformationsjubliläum, Margot Käßmann, fragt zu Recht: „Wer verbindet mit der Reformation Wibrandis Rosenblatt, Katharina Zell oder Argula von Grumbach? Allenfalls Katharina von Bora, Luthers Ehefrau, ist einem breiten Publikum ein Begriff.“
Die Erneuerung unserer Kirche vor 500 Jahren war jedoch ein Geschehen, das auch das Leben der Frauen, immerhin die Hälfte der Bevölkerung, maßgeblich verändert hat und an dem sie in unterschiedlichen Bereichen aktiv mitgewirkt haben.

Wie können wir uns die Lebensumstände von Frauen damals vorstellen?
In vorreformatorischen Zeiten  ging ein Großteil der Bevölkerung nicht zur Schule. Bildung blieb den Reichen und Adligen vorbehalten. Meist waren auch dort nur die männlichen Nachkommen im Blick. Den Töchtern blieb die Wahl zwischen der Ehe und dem Gang ins Kloster. Dort bekamen junge Frauen zwar eine gute Ausbildung und konnten innerhalb der klösterlichen Strukturen hohe Stellungen erreichen, sich aber nur sehr eingeschränkt in Gesellschaft, Kirche und Politik einbringen.
Ermutigt durch Luthers These vom Priestertum aller Gläubigen traten im 16. Jh. zahlreiche Frauen mit theologischen Publikationen an die Öffentlichkeit. Es war nun möglich, die befreiende Botschaft von Gottes Gnade, ohne den Umweg einer kirchlichen Autorität, selbst in der Bibel zu entdecken. Damit dies allen Getauften möglich war, führten die Reformatoren auch Mädchenschulen ein. Als Hausfrauen und Mütter kam ihnen eine Multiplikatorenfunktion zu: Von ihnen hing es ab, wie gut die heranwachsenden Bürgerinnen und Bürger das religiöse Bildungsgut ver-
innerlichten. Die höhere Bildung blieb indes nach wie vor den Jungen vorbehalten. Durch die Auflösung vieler Klöster waren Frauen im protestantischen Kontext bis ins ins 19. Jh. somit auf diese Rolle festgelegt.

Eine besondere Stellung hatte die Pfarrfrau inne, als „Mitdienerin des Wortes“, wie sie in Katharina von Bora noch heute idealisiert wird.
Neben der Verantwortung einer Hausfrau zählten die soziale Fürsorge für Arme und Kranke und die geistliche Fürsorge für die Kinder und das Gesinde zu ihren Aufgaben. Dies erforderte einen höheren Bildungsstand.
Trotz aller neuer Errungenschaften hatten es Frauen im 16. Jahrhundert nicht leicht:
Sie besaßen nur wenig eigene Rechte und standen unter der Bevormundung ihres Mannes. Frauen, die sich in dieser Zeit trauten, ihre Stimme in der Öffentlichkeit zu erheben, waren also etwas ganz Besonderes. Die Männerwelt reagierte oft empört, wenn Frauen öffentlich ihre Meinung in Fragen des Glaubens einbrachten. Eine Veröffentlichung konnte gar gravierende Folgen haben. Und doch ließen sich einige Frauen nicht davon abschrecken, sich an der theologischen Diskussion zu beteiligen.

Eine davon, Argula von Stauff, stammte aus dem fränkischen Beratzhausen.
Die Eltern, verarmt, aber aus altem bayrischen Adel stammend, legten großen Wert auf die Bildung ihrer Kinder. Als junges Mädchen begann sie nach dem frühen Tod ihrer Eltern, selbstständig die Bibel zu studieren. 
Argula war eine der ersten Frauen, die sich öffentlich für die Reformation einsetzten und stand in regem Briefwechsel mit Luther. Mit ihren Flugschriften erreichte sie hohe Auflagen. Besonders bemerkenswert ist ihre Korrespondenz mit dem Rektor der Universität in Ingolstadt. Sie stellte sich darin als Frau gegen die gelehrte Männerwelt und setzte sich für einen jungen Magister ein, der unter Gewaltandrohung zum Widerruf  der lutherischen Lehre gezwungen worden war. Durch ihren furchtlosen Einsatz hatte sie mit persönlichen Repressalien zu kämpfen: Ihr katholischer Ehemann verlor aufgrund ihrer Unbeugsamkeit seine Stellung und die Familie stellte sich gegen Argula. Auf dem Reichstag in Nürnberg sprach sie sich trotzdem weiter für die freie Verkündigung des Evangeliums aus.

Wie die unerschrockene „fränkische“ Reformatorin Argula von Grumbach haben zahlreiche Frauen die Gedanken der Reformation an ihrem Platz und mit ihren Möglichkeiten gelebt und weitergetragen. Es lohnt sich, diesen Frauen mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
Beate Wagner, Diakonin in Forchheim St. Johannis und Christuskirche