Das 4. Gebot - Du sollst Vater und Mutter ehren

In seinem kleinen Katechismus deutet Martin Luther dieses Gebot so: „Wir sollen Gott fürchten und lieben, dass wir unsere Eltern und Herren nicht verachten noch erzürnen, sondern sie in Ehren halten, ihnen dienen, gehorchen, sie lieb und wert haben.“ 

Gerne wurde es darum immer wieder als erzieherisches Mittel genutzt, um Respekt und Gehorsam minderjähriger Kinder vor ihren Eltern einzufordern. Aber hier geht es um mehr, als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Das 4. Gebot greift tiefer und beschreibt, was damals und heute für den Zusammenhalt einer Gesellschaft wichtig ist: Die Sorge der unterschiedlichen Generationen füreinander. Es wird die Wertschätzung des Alters in den Blick genommen. Sein Fokus liegt auf den arbeitenden Menschen, die mitten im Leben stehend, zugleich die Verantwortung für die Versorgung der Altgewordenen zu tragen haben.

Ihnen wird deutlich gemacht, dass sie mit den Alten, die ihr Lebenswerk hinter sich gebracht haben, gut und fürsorglich, gnädig und barmherzig umgehen sollen. Das Elterngebot befürwortet also gerade nicht die bereits gegebene Autorität gegenüber Schwächeren, sondern sichert vielmehr die Rechte der Hilfebedürftigen gegenüber den Überlegenen. 

Nach christlichem Verständnis hat jeder Mensch seine Ehre und Würde von Gott, weil wir alle nach seinem Ebenbild geschaffen sind. Diese Würde ist von der gesellschaftlichen Stellung der Einzelnen völlig unabhängig. Aber anscheinend braucht es da immer wieder eine Erinnerung.

Das Miteinander der Generationen ist damals wie heute nicht spannungsfrei. Ursachen des anhaltenden Generationenkonflikts sind u.a. demografische Verschiebungen der Alterspyramide, soziologische Umstrukturierungen des Systems Familie und medial geprägte Altersbilder. Hier braucht es Begegnungsmöglichkeiten, die das gegenseitige Kennenlernen und Verstehen ermöglichen. 

Es ist daher hilfreich, das 4. Gebot aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten: Fürsorge für die ältere Generation von morgen, bedeutet auch, die Lebensqualität von Familien mit Kindern heute zu fördern. Sie werden in Zukunft die Versorgenden und Kümmernden sein. 

Und noch ein persönliches Wort zum Schluss: Als Gemeindediakonin darf ich einerseits mit Kindern und Familien arbeiten, andererseits habe ich viel Kontakt zur lebenserfahrenen Generation. Beide Perspektiven empfinde ich als Geschenk.

Beate Wagner, Diakonin