Vor 500 Jahren: Martin Luther auf der Wartburg

Luther auf dem Reichstag zu Worms - Fensterrosette in der St. Johannis-Kirche Forchheim
Bildrechte M. Damm

Vor 500 Jahren lebte Martin Luther inkognito auf der Wartburg, um der Reichsacht zu entgehen.
Wir nehmen einen Einblick in seinen Zustand und in die Werke, die während dieser zehn Monate entstanden sind.

27. Januar 1521: Eröffnung des Reichstags in Worms
Die 7000-Einwohner-Stadt platzt aus allen Nähten: Die Reichsstände brachten ca. 10.000 Begleiter mit, die alle untergebracht, verköstigt und unterhalten werden mussten. Für viele ist es eine wilde Party: Die strenge Fastenzeit wird außer Kraft gesetzt, es werden Ritterturniere veranstaltet und auch die Prostituierten machen das Geschäft ihres Lebens. Bei Schlägereien und anderen Auseinandersetzungen sterben täglich mehrere Menschen.

06. März: Vorladung Luthers
Der erst 21 Jahre alte Kaiser Karl V. lässt Luther vor den Reichstag laden. Es wird ihm freies Geleit zugesichert. Doch was war es wert? 1414 wurde der böhmische Reformator Jan Hus vor das Konstanzer Konzil geladen, aber trotz freien Geleits eingesperrt und 1415 als Ketzer verbrannt. Luther weiß, dass er auch nicht sicher ist.

29. März: Übergabe der Vorladung an Luther
Da es weder Post noch Telefon oder Internet gibt, dauert es einige Zeit, bis die Depesche in Wittenberg eintrifft. Sie wird Luther vom Reichsmarschall Kaspar Sturm übergeben. Ab dem Tag ihrer Aushändigung hat Luther drei Wochen Zeit, um nach Worms zu reisen. Die Wegstrecke ist über 500 km lang.

01. April: Reisevorbereitungen
Luther will sich möglichst schnell auf den Weg machen. Vom Wittenberger Goldschmied Christian Döring leiht er sich einen mit einem Schutzdach versehenen Rollwagen aus. Die Universität gibt ihm 20 Gulden Zehrgeld mit. Obwohl Luther nicht mehr dem Orden der Augustiner angehört, will er sich an die Regel halten, dass Mönche nicht allein reisen dürfen. Deshalb wählt er sich Reisegefährten aus, u.a. seinen (ehemaligen) Ordensbruder Johannes Petzensteiner, seinen Kollegen Nikolaus von Amsdorf und den pommerschen Adligen Peter von Suaven. Philipp Melanchthon würde auch gern mitgefahren, muss aber seinen universitären Lehrverpflichtungen nachkommen.

02. April: Aufbruch von Wittenberg (A) und Fahrt nach Leipzig (B)
Luther und seine Begleiter verabschieden sich von den Wittenbergern und fahren nach Leipzig. Dort werden sie kaum zur Kenntnis genommen, aber immerhin vom Rat der Stadt zu einem üblichen Weinempfang eingeladen.

04. April: Naumburg (C)
In Naumburg wird die Reisegesellschaft vom Bürgermeister empfangen und beherbergt. Luther hält in einem Gottesdienst die Predigt. Allerdings sind ihm nicht alle Naumburger wohlgesonnen: Ein Geistlicher schenkt ihm drohend ein Bild von der Verbrennung Girolamo Savonaloras 1498 (erst vor 23 Jahren!) in Florenz. Das Schicksal dieses schillernden Kirchenkritikers und Bußpredigers sollte ihm eine Lehre sein!

05.04.: Weimar (D)
Am Abend erreichen sie Weimar. Herzog Johann der Beständige, der Bruder des Kurfürsten Friedrich des Weisen, der von Weimar aus die ernestinischen Teile Thüringens regiert, empfängt sie freundlich. Da die Ausgaben der Reisegruppe nicht unbeträchtlich sind, stattet er sie mit weiterem Zehrgeld aus.
Hier erhält Luther auch Kenntnis vom "Sequestrationsmandat" ("Sequestration" = Absonderung) des Kaisers, dass dieser am 26. oder 27. März erlassen hatte und das Luthers Schriften als ketzerisch verurteilt. Sie sollen eingezogen und vernichtet werden. Die Frage des Reichmarschalls Sturm, ob er trotzdem weiterfahren wolle, bejaht Luther, wenn auch zitternd. Er empfindet das Mandat als Ungeheuerlichkeit seiner Gegner und betont, dass er unter der Führung Christi auch gegen den Willen der Höllenmächte in Worms einziehen wolle.

06.04.: Erfurt (E)
Nach der relativ kurzen Strecke (ca. 23 km) kann Luther sich nicht ausruhen, denn ihm wird ein großer Empfang bereitet: Der Rektor der Erfurter Universität Crotus Rubeanus kommt ihm mit 40 Berittenen entgegen und begrüßt ihn mit einer feierlichen Rede. Der Humanist und neulateinische Dichter Eoban Hessus feiert ihn in einem Gedicht als denjenigen, der die Stadt von dem Schmutz befreit, unter dem sie schon so lange geseufzt hat.
Der Einzug in die Stadt wird zum Triumpfzug - Luther vergleicht ihn mit dem Einzug Jesu in Jerusalem. Allerdings sieht er darin auch die Parallele zum möglicherweise bevorstehenden Martyrium. Ihm ist der ganze Auftrieb nicht angenehm.

07.04. Gotha (F)
Vor der Abreise aus Erfurt predigt Luther in der Kirche des Augustinerklosters. Es drängen sich so viele Menschen hinein, dass die Empore zusammenzubrechen droht. Einige Leute schlagen in ihrer Panik Fenster ein, um sich ins Freie zu retten. Luther deutet diese Unruhe und Angst als Machenschaften des Teufels und beruhigt die Gläubigen.
Nach einer erneut kurzen Fahrt kommt die Reisegesellschaft in Gotha an, wo Luther erneut predigt.

08.04. Eisenach (G)
Auch hier wird er begeistert empfangen und hält eine Predigt. Allerdings fühlt er sich krank und wird der damals üblichen Universaltherapie, dem Aderlass, unterworfen.

09.-14.04. Reise nach Frankfurt/M.
Die einzelnen Stationen dieses Abschnitts der Reise nach Worms sind nicht genau bekannt. Es ging wohl über Berka, Bad Hersfeld, Alsfeld, Grünberg und Friedberg nach Frankfurt/M. Diese Wegpunkte gehören zum "Lutherweg 1521", der heute noch gewandert oder gepilgert werden kann.

14.04. Frankfurt/Main (H)
Um die Mittagszeit treffen die Reisenden in Frankfurt/M. ein und werden von vielen Bürgern begeistert empfangen. Bis in den Abend hinein kommen viele Frankfurter zu Luther und diskutieren interessiert mit ihm. Andere sind ganz und gar nicht begeistert über diesen Besuch. Der Humanist und Theologe Johannes Cochläus hält eine zornige Predigt und reist kurz darauf selbst nach Worms, um Luther in einer Disputation zu stellen. Aber auch er schließt sich nicht der Cancel Culture (Bücherverbot usw.) des Kaisers an, sondern will Luther theologisch schlagen.
Als abends endlich Ruhe einkehrt, schreibt Luther noch einen Brief an seinen Mitstreiter Spalatin und beklagt, dass ihn die Reise körperlich sehr anstrenge. Trotzdem wolle er durchhalten: "Aber Christus lebt! Und wir wollen nach Worms kommen allen Pforten der Hölle und Fürsten der Luft zu Trutz."

15.04. Oppenheim (I)
Nach der Überquerung des Rheins bei Oppenheim übernachtet man in einem Gasthaus. Hier bekommt Luther Besuch vom Martin Bucer, dem Kaplan des kaiserkritischen Reichsritters Franz von Sickingen. Der Ritter will ihn auf seine Burg Ebernburg einladen, um ihn dort beschützen zu können und Verhandlungen mit den Kaiserlichen zu ermöglichen. Luther vermutet aber eine Intrige seiner Feinde und ging nicht darauf ein. Im Nachhinein war das eine gute Entscheidung, denn er hätte damit evtl. sein freies Geleit verspielt, das nur für Worms galt.

16.04. Worms (J)
Endlich am Ziel! Der päpstliche Nuntius Aleander wollte Luther eigentlich nur allein in die Stadt lassen, da seine Gefährten kein Geleit besaßen, und ihn isoliert im Palast des Kaisers unterbringen. Doch damit kommt er nicht durch: Stattdessen hat der Einzug in die Stadt am Vormittag wieder etwas vom Palmsonntag: Trompeten melden vom Dom aus die Ankunft der Reisegesellschaft, 2000 Menschen stehen Spalier und begrüßen Luther stürmisch. Wegen der Überbelegung der Stadt wird ihm ein Zimmer zugeteilt, dass er mit zwei kursächsischen Beamten teilen muss.
Zum Glück ist der letzte Reiseabschnitt nicht lang gewesen, denn zur Ruhe kommt Luther jetzt nicht: Viele Reichsstände besuchen ihn, unter ihnen der junge hessische Landgraf Philipp I. Er ist noch kein Anhänger der Reformation, aber sehr interessiert. Vor allem die gewagte Aussage Luthers in einer Schrift von 1520, dass eine Frau das Recht habe, bei Impotenz ihres Mannes einen anderen zu nehmen, möchte er diskutieren, doch Luther geht nicht weiter darauf ein. Allerdings erlaubt er ihm 1524 eine Zweitehe ... Der Landgraf verabschiedet sich mit dem Worten "Habt ihr recht, so helfe euch Gott!"
Wahrscheinlich kommt es auch zur ersten persönlichen Begegnung Luthers mit Vertretern des Judentums: Zwei gelehrte Juden wollen mit ihm über theologische Fragen disputieren.

17.04. Erste Vorladung vor den Kaiser
Vormittags bekommt Luther die offizielle Vorladung: Er soll 16.00 Uhr im Bischofshof neben den Dom erscheinen, wo der Reichstag tagt. Nach Bekanntwerden des Termins versammeln sich viele Menschen auf dem Weg dorthin, um Luther zu unterstützen. Die kaiserlichen Beamten führen ihn deshalb über Umwege zum Hintereingang, aber auch auf diesem Weg wird er gesehen.
Luther betritt erstmals diplomatisches Parkett und tritt gleich ins erste Fettnäpfchen: Als er einen Bekannten sieht, spricht er mit ihm und wird sofort ermahnt, in Anwesenheit des Kaisers nicht ungefragt zu reden.
Johann von der Eck, ein Kirchenjurist des Trierer Erzbischofs, der schon öffentlich Lutherschriften verbrannt hatte, fungiert als Sprecher des Kaisers. Er hat einen Tisch mit vielen Lutherschriften vorbereiten lassen und fragt Luther, ob er diese Schriften als die Seinen anerkenne und ob er sie widerrufe. Nach einer Verlesung aller Titel bestätigt Luther, deren Autor zu sein. Da sie aber den Glauben, das Seelenheil und das Wort Gottes beträfen, könne er sie nicht einfach widerrufen. Weil er auf eine Disputation gehofft hat, nun aber einfach widerrufen soll, ist er wohl verwirrt und bittet um einen Tag Bedenkzeit. Der Kaiser ist darüber verblüfft, gewährt sie ihm aber.
Wieder in seinem Quartier angekommen, wird Luther von vielen Adligen aufgesucht, die ihm Sicherheit vermitteln. Zwischendurch schreibt er einige optimistische Zeilen an den Humanisten Johannes Cuspidian und betont: "Wenn Christus gnädig ist, werde ich in Ewigkeit auch nicht einen Strich widerrufen."

18.04. Bekenntnis vor dem Kaiser und dem Reichstag
Luther soll zur gleichen Zeit wie gestern erscheinen und erregt wieder viel Aufsehen auf seinem Gang durch die Straßen. Allerdings muss er dann zwei Stunden warten, bis er vorgelassen wird. Diesmal ist es ein größerer Saal, mit Fackeln erleuchteter Saal mit mehr Menschen, die sich hineindrängen.
Luther hat sich gut vorbereitet und trägt seine Verteidigung vor. Seine Schriften seien in drei Gruppen zu unterteilen: Erstens in diejenigen über die Frömmigkeit und die Sitten, die auch seine Gegner anerkennen.Zweitens die Schriften gegen das Papsttum, deren Kritik auch die deutschen Fürsten teilten und die deshalb auch nicht zu widerrufen seien. Nur bei der dritten Gruppe, die gegen einzelne Personen gerichtet sind, hat er manches vielleicht zu scharf formuliert. Dann fordert er den Kaiser und den Reichstag dazu auf, ihn durch Beweise aus der Heiligen Schrift zu widerlegen. Falls er einen Irrtum erkennen würde, wäre er sofort bereit, ihn zu widerrufen und die betreffende Schrift selbst zu verbrennen. Zum Schluss lehnt er den Widerruf noch einmal kategorisch ab:
"Und solange mein Gewissen in Gottes Worten gefangen ist, kann und will ich nichts widerrufen, weil es unsicher ist und die Seligkeit bedroht, etwas gegen das Gewissen zu tun. Got helfe mir. Amen."
Als er schließlich von kaiserlichen Leuten aus dem Saal geführt wird, wird sofort nachgefragt, ob er gefangen sei. Doch obwohl das spanische Gefolge laut "Ins Feuer mit ihm!" ruft, kann er gefahrlos in seine Herberge zurückkehren. Dort ruft er den Menschen mit fröhlichem Gesicht "Ich bin hindurch!" zu.

19.-23.04. Verhandlungen des Reichstags über Luther
Wie erwartet lässt sich der Kaiser von Luther nicht überzeugen, im Gegenteil: Er sieht in ihm nun umso mehr den Ketzer, den es zu bekämpfen gilt. Ein einzelner Mönch müsse einfach im Irrtum sein, wenn er sich gegen die gesamte Christenheit und ihre 1500jährige Geschichte stellte. Deshalb bereut er es, nicht schon früher gegen ihn vorgegangen zu sein.
Die Reichsstände verhandeln nun über die Sache, zögern aber eine sofortige Entscheidung hinaus. Am 20. April sind in Worms nämlich heimlich Zettel angeschlagen worden, auf denen im Falle einer Verurteilung Luthers mit einem Aufstand der Bauern und der Ritter gedroht wird. Dazu reichte z.B. der Slogan "Bundschuh!". Das liegt natürlich überhaupt nicht im Interesse Luthers, wird aber mit ihm verbunden. [Heute würde man das als "Beifall von der falschen Seite" bezeichnen.] Auch Spottgedichte auf einige Widersacher Luther kursieren [Das war damals üblich und noch keine "Hassrede".] Einiges davon ist aber auch gegen Luther gerichtet. In dieser aufgeheizten Atmosphäre wollen die Reichstände noch einmal vermitteln und Luther zum Widerruf bewegen. Dafür bekommen sie drei Tage Zeit eingeräumt. Das freie Geleit wird entsprechend verlängert.

24.-25.04. Gespräche der Reichsstände mit Luther
In mehreren Verhandlungen diskutieren Vertreter der Reichsstände mit Luther und kommen ihm teilweise entgegen. So gesteht man z.B. zu, dass sich die Konzilien durchaus geirrt haben könnten. Trotzdem dürfen ihre Entscheidungen nicht verachtet werden. Luther aber bleibt bei seiner Haltung, sich nur durch die Heilige Schrift oder einsichtige Gründe widerlegen zu lassen.
Der Frankfurter Theologe Johannes Cochläus (s.o.), der extra nach Worms gereist war, disputiert teilweise unter vier Augen mit Luther. Er bietet ihm u.a. an, Luther im Falle eines Widerrufs in ein Kloster bei Mühlheim bei Koblenz zu birngen, um ihn vor seinen dann wohl aufgebrachten Anhängern zu schützen. Luther soll zwar zugegeben haben, gegen den Papst zu scharf gewesen zu sein, doch er lässt sich auf nichts anderes ein, sondern bleibt bei seinem vorgetragenen Standpunkt.
Bei einem Gespräch mit Richard von Greiffenklau, dem Erzbischof von Trier, verweist Luther auf Gamaliel (Apg 5,34-39): Die Zukunft werde zeigen, ob es Gottes Sache sei oder nicht.
Letztlich scheitern die Gespräche und werden am 25. April beendet. Luther soll wieder heimreisen; allerdings wird ihm verboten, unterwegs zu predigen und zu schreiben. Demütig ordnet er sich dem unter: "Wie es dem Herrn gefällt, der Name des Herrn sei gelobt!" Em Ende reicht man sich die Hände und verabschiedet sich.

26.04.-03.05: Heimreise bis Eisenach
Schon am Vorabend der Abreise wird Luther davon unterrichtet, dass sein Kurfürst ihn in Sicherheit bringen will. Einzelheiten kennt er aber noch nicht. Am 28. April schreibt er an Lucas Cranach: "Ich lass mich eintun und verbergen, weiß selbst noch nicht wo."
Vor der Abreise besuchen ihn noch viele Leute; er erhält Zehrgeld und feiert ein Abschiedsmahl. Dann bricht er mit seinen Gefährten auf, vom Standtor an feierlich begleitet von 20 Rittern.
Der Weg ist wohl in etwa derselbe wie auf der Hinreise. Im hessischen Fiedberg entlässt Luther den Reichsherold, weil er ihn nicht mehr zu seinem Schutz benötigt (wahrscheinlich will er auch unnötige Zeugen des Kommenden vermeiden). Trotz Verbots predigt er wieder in den Kirchen seiner Stationen. In Eisenach schickt Luther die meisten seiner Begleiter weiter, da er selbst seine Verwandten in Möhra besuchen möchte. Er ist nun bloß noch in Begleitung von Johannes Petzensteiner und Nikolaus von Amsdorf.

04. Mai 2521: Die "Entführung" auf die Wartburg
Nach dem Familienbesuch reist man weiter, kommt aber nicht weit: Nahe Schloss Altenstein werden sie in einem Hohlweg von Bewaffneten überfallen. Der Kutscher wird mit einer Armbrust in Schach gehalten, Johannes Petzensteiner flüchtet in Panik. Nikolaus von Amsdorf dagegen, der in das Vorhaben eingeweiht ist, bleibt im Wagen und "protestiert" lauthals gegen den Hinterhalt. Luther kann noch das Neue Testament und das hebräische Alte Testament ergreifen, bevor er unter Flüchen vom Wagen gezogen wird. Man zwingt ihn, neben den Reitern herzulaufen. Als man außer Sichtweite des Wagens ist, wird ihm ein Pferd zur Verfügung gestellt. Um mögliche Verfolger irrezuführen, reitet man auf weiten Umwegen zur ca. 20 km entfernten Wartburg, die man gegen 23 Uhr erreicht.

Epilog
Als die Nachricht vom Überfall die Runde macht, vermuten viele, dass das Geleit gebrochen wurde und Luther tot sei. Entsetzen macht sich breit. Albrecht Dürer z.B. schreibt in sein Tagebuch: "O Gott, ist der Luther tot, wer wird uns hinfort das heilige Evangelium so klar vortragen! Ach Gott, was hätte er uns noch in zehn oder zwanzig Jahren schreiben mögen!"
Aber genau das macht Luther: Während der 10 Monate auf der Wartburg übersetzt er vor allem das Neue Testament ins Deutsche. Zwar gab es auch vor ihm schon deutsche Bibelübersetzungen, aber seine war die erste aus dem Griechischen und vor allem in einem Deutsch, das unsere heutige Hochsprache mit begründete.
Kirchlich und politisch aber ist er nun gebannt: Das offiziell auf den 08. Mai datierte, aber erst am 26. Mai veröffentlichte "Wormser Edikt" verhängt die Reichsacht über ihn. Seine Schriften werden verboten, jede Unterstützung untersagt. Wer Luther ergreifen könne, soll ihm dem Kaiser ausliefern.
Luthers Kurfürsten Friedrich dem Weisen aber gelingt ein diplomatisches Husarenstück: Da er schon am 23. Mai abgereist ist, hätte ihm das Edikt nachträglich zugestellt werden müssen, um es auch in Kursachsen in Geltung zu setzen. Friedrich aber hat den Kaiser darum gebeten, ihn damit zu verschonen - und so geschieht es auch. Da er es nie offiziell erhält, gilt es für ihn und damit für sein Herrschaftsgebiet nicht. Luther bleibt in Kursachsen in Sicherheit. Er kann noch fast 25 Jahre lang für das Evangelium eintreten und die Reformation in Schwung halten. Erst dann, am 18. Februar 1546, stirbt er friedlich in seinem Bett - und nicht auf dem Scheiterhaufen.

Tipp: Eine filmische Umsetzung des Themas ist "Das Luther-Tribunal. Zehn Tage im April" (kostenlos in der ZDF-Mediathek verfügbar).

Literatur:
Brecht, Martin (1981): Martin Luther. Sein Weg zur Reformation. Stuttgart. (Aus diesem Buch stammen die meisten der obigen Informationen.)